Unser Kühlschrank erschüttert seit jeher die jüngeren Familienmitglieder – mit seiner großen Leere. Doch das ist eine andere Geschichte. Es hat uns ein paar Jahre gekostet, bis wir die komplexbeladene Kuhmilch-Lücke schließen konnten. Jetzt macht mir der Milch-Ersatz einen Strich durch die Rechnung: Wie bekomme ich die Hafermilch, bei der wir einstimmig gelandet sind, ohne Plastik ins Haus?
2015 wurde unser Familienleben von meinen Recherchen zum Thema Fleischkonsum bestimmt. Ein Jahr lang erarbeitete ich das Buch „Iss was?! Tiere, Fleisch & ich“, das ich gemeinsam mit Jugendlichen entwickelte. Im Dezember 2019 habe ich zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung dann begonnen, das nächste Thema in ein grafisch leicht zugängliches Buch zu formen: Plastik. Nun fürchte ich mich vor den Auswirkungen, die all mein neues Wissen wieder haben wird – für mich, in unserer Familie und bei den alltäglichen Entscheidungen, was wer kauft.
Allerdings habe ich diesmal – genaugenommen an dem Tag, als ich zum ersten Mal versuchte, Hafermilch selbst herzustellen und das traurige trübe flockige Resultat präsentierte – beschlossen, das, was der Prozess mit uns macht, zu dokumentieren. Gemeinsam mit meinen Familienmitgliedern, die als Autor*innen unter Mann, Mutter, Tochter, Tante genannt sind, will ich aufschreiben, was passiert, wenn ich mich daran mache, neue Entscheidungen durchzusetzen. Wie ich mit meiner Scham umgehe, wenn ich dennoch Plastik kaufe. Die ganzen Konsequenzen eben.
Mit der Hafermilch bin ich noch keinen Schritt weiter gekommen. Die Glasflaschen, die ich zum Abfüllen meines, nun ja, „Erzeugnisses“ brauche, stehen aber schon bereit für den dritten Versuch. Die erste Version musste ich entsorgen. Ein Verlust von 80 g Haferflocken – so wenig braucht es, um einen Liter Hafermilch herzustellen. Rechnerisch lässt sich wirklich viel Geld sparen, wenn ich die Hafermilch selbst mache. Dasselbe gilt für Mandelmilch (100 g Mandeln kosten unter einem Euro, ein Liter Mandelmilch zwischen zwei und drei Euro).
Dazu kommt, dass ich den Aufwand von einem Tetra Pak vermeide. Ruben Rausing, der Schöpfer von Tetra Pak, sagte 1950: „Eine Verpackung sollte mehr sparen, als sie kostet.” Dieser Karton kostet mich natürlich nichts, nach Gebrauch landet er in der Wertstofftonne – und ich bin davon ausgegangen, dass er recycelt wird. Ein Getränkekarton besteht laut Hersteller (tetrapak.com) innen aus zwei Schichten Polyethylen, Aluminium, einer dritten Schicht Polyethylen, Karton und – weil’s so schön war – einer vierten Schicht Polyethylen. Diese Materialien werden nie wieder getrennt. Also auch nicht recycelt. Sie werden verbrannt oder als Müll exportiert. Jeder Getränkekarton hat noch eine weitere Besonderheit, einen Verschluss aus Polyethylen, der sehr stabil ist. Dieser Bestandteil ließe sich bestimmt leichter trennen und separat recyceln, oder? Nur – mit den Fingern? Robotern? Oder wie bekommt man ihn ab.
Das sind die Gedanken, die ich mir nun jedes Mal mache, wenn ich einige dieser Hafermilchkartons kaufe. Meine Kinder fragen, warum es nicht diese leichten Plastikverpackungen für Hafermilch gibt, wie sie der ökologische Lebensmittelerzeuger Brodowin verwendet. Mein Mann verkündete vor zwei Tagen, dass ein Safthersteller Hafermilch in Glasflaschen angekündigt habe. Beim Untersuchen einer Glasflasche finde ich nur ein klein wenig Plastik im Metallverschluss, als Dichtungsring. Diese Glasflaschen sind oft Mehrwegflaschen und die Deckel werden wohl erneut verwendet, oder?
Bis ich eine akzeptable Hafermilch gefertigt habe, werden noch ein paar Tage vergehen, denn für solche Experimente habe ich nicht ständig Zeit. Und somit landen noch so einige Tetra Paks bei uns in der Wertstofftonne. Und wer weiß, wie viel Zeit noch vergeht, bis alle am Tisch diese Hafermilch auch trinken wollen.
Denn eigentlich wird am liebsten die Barista-Version gemocht – die aber, wie ich herausgefunden habe, aus einem kleinen Schuss Sojamilch besteht. Und wie soll ich die nur kaufen …